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Tag 2: Seelisch rund mit Burgund

Keine sozialen Kontakte. Und das schon seit mehr als 72 Stunden. Nur einmal raus, den Kühlschrank auffüllen. Und sonst? Netflix und Amazon glotzen, vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer gehen, dort aus dem Fester starren und dann wieder zurück ins Wohnzimmer und auch dort aus dem Fenster starren. Da wird 'ne neue Flasche Wein zum Tagesereignis, dem man sich besonders widmen kann.
 
Jetzt kann man sich übrigens auch gut vorstellen, wie sich Julian Assange in der Botschaft von Ecuador gefühlt haben muss. Sein Exil von allem Öffentlichen dauerte Jahre, ich hingegen werde schon jetzt leicht meschugge. Anders als Assange aber, lässt mich die Regierung im Wald spazieren gehen. Wenn mich kein Polizist wieder nach Hause schickt.
 
Zu Hause, wo man mich wohl noch zwei Wochen einsperren wird, wartet jetzt der Pinot-Noir „47°N“ (aus 2017) von Pascal Marchand auf mich. Eine wenig Luft hat er bekommen, die Flasche hole ich vom Balkon rein, wo sie eine angenehme Abendkühle ausgefasst hat. Die nächsten Stunden werden mich mit mir und meiner Lage versöhnen.
 
Vertrauensmann des Volkes
 
Pascal Marchand ist ein guter Typ, ein Mann, der seine Leutseligkeit mit seinem Verkaufstalent perfekt vereint. Und zu verkaufen hat Marchand jede Menge gute Weine. Wer die Welt von Marchand kennenlernen will (und das sei hier schwer angeraten), wer ihn in jedem Detail entdecken will, der sollte bei seinem nächsten Burgund-Besuch – wenn das Reisen wieder erlaubt ist – in Marchands Betrieb in Nuit-Saint-Georges vorbeischauen. Das, was dort so improvisiert rüberkommt, ist tatsächlich Improvisation – aber als System hervorragend. Marchand ist der produktive Chaot hier, sein Team hält ihn auf Schiene. Für mich ist sein Haus das offenste Haus in Burgund, ein Hof, in den man gerne eintritt und sich auf Anhieb wohl fühlt – keine Spur der sonst öfter praktizierten burgundischen Arroganz.

Das liegt auch daran, dass Marchand ein Zugereister ist, ein Franko-Kandier, dessen Quebec-Akzent ihn in Frankreich immer verrät. Das, was wir nicht hören, kann im Burgund deklassierend wirken, denn der alte Adel hier mag eigentlich keine Eindringlinge im heiligen Land der Meursaults und Montrachets.

Marchand kam vor rund zwanzig Jahren nach Nuit-Saint-Georges, in einer Zeit, als das Burgund – wie einige andere Weinbaugebiete Frankreichs – in die Krise schlitterte. Als sich Marchand nach seiner Ankunft umsah, da sah er nur Winzer, die das machten, was sie immer schon machten. Und Winzer, die von biologischen Weinbau wenig bis nichts hielten. Marchand spürte: Hier braucht es den „Wind of Change“, den Anarchisten, der auch Dinge auf den Kopf stellen kann. Und er wollte dieser Anarchist sein; im Kleinen zwar, so wie es ihm möglich war, aber von allen bemerkt – durch seine Weine bemerkt.

Und ja: Die international relevanten Weinkritiker bemerkten Marchand sehr schnell. Und auch so deutlich, dass ihn die Alteingesessenen nicht länger ignorieren konnten, denn Marchand war die Botschaft des Neuen, des Kommenden, das man einhegen muss, um nicht unterzugehen. So wurde der Marchand, der Kanadier, zum willkommen Star. Auch wenn man sich schwertat, das zuzugeben.

Entrepreneur im Land des konservativen Weinbaus

Diese Zeiten sind lange vorbei, denn Marchand hat viele neue Winzer und die Erben altgedienter Winzer umdenken lassen. So entstand eine neue Burgund die relativ konfliktfrei mit der alten Burgund zusammenlebt. 

2010 holte sich Marchand den kanadischen Investor Moray Tawse ins Boot. Marchand setzte nach Beginn der Partnerschaft einen damals neuen Stil durch: „Cool Climate“. Marchands einfacher Pinot Noir „47°N“ ist schon ein großes, wertiges und ungemein trinkfreudiges Beispiel dieser neuen Burgund, dieser Cool-Climate-Bewegung, die Fett durch Kraft und Marmelade durch Eleganz ersetzt. Wie immer bei Marchand ist der Holzeinsatz zurückhaltend, das Holz aber trotzdem präsent.

Kirsche galore

In der Nase aufgebrochene Piemont-Kirschen, dann gering Pflaumen, etwas Himbeere, gering Blaubeere, gering Hagebutte, ein wenig nasser Kiesel und dann auch das subtile Karamell gebrauchter Fässer. Im Mund wieder Kirsche, mehr aber ein heller Beerenmix, selbst Limette und erneut Karamell. Wunderbar elegant, grandiose Säure, gefährlicher Trinkfluss.
 
Fazit: Ein roter Einstiegsburgunder wie selten, der zudem – aufgrund Machart, Tannine und Säure - locker 15 Jahre gut zu trinken ist. Kiste kaufen, sechs Faschen bis 2022 trinken, die anderen sechs nach 2028. Wenn wir dann noch leben.

Morgen ist Pause, Freitag köpfe ich ne neue Flasche