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Tag 33: No Border für Bordelet

Irgendwann, vor fünfundzwanzig Jahren oder länger, keine Ahnung, saß ich in der Nähe vom Eiffelturm im Paris in einem Dreisterne-Restaurant namens „Arpege“, das im Michelin damals so frisch war wie Bärlauch im April. Ein Maitré stellte mir eine Taubenbrust in einem Schweinedarm hin, in dem eine gar köstliche Blutsauce das Fleisch ertränkte. Dazu gab es Tomaten aus Novara und neue Kartoffeln von einem spanischen Feld in der Navarra - lokale Küche war damals nicht wirklich angesagt. Für das Hauptgericht ließ ich 360 Francs liegen. Nach Wien zurück fuhr ich in der Holzklasse.

Manchmal glaube ich solche Tage nie wieder erleben zu dürfen. Doch dann redet Kanzler Kurz mit dem Ami-Sender CNN und erzählt, dass er die Gastro in der Alpenfestung und ihren Ebenen ab 15. Mai auch abends wieder aufsperren lässt. Das hätte er auch der Kronen-Zeitung ins Mikro plappern können, doch Kurz bevorzugt gerne richtig wichtige Medien. Mir soll's recht sein, ich lächle lieber einen Kellner mit Maske an, bevor ich keinen Kellner anlächle.

Zurück zum Arpege. Damals schenkte mir ein eleganter, kleiner Mann die Gläser voll: Eric Bordelet. Von dem wusste ich an diesem Tage nur, dass er der Sommelier dieser Dreistern-Hütte war. Und gefühlt auch nur einer von drei Weinheinis (das stimmte aber nicht, er war der oberste Weinheini).

Weiser Weinmann

Bordelet brachte auf meine Bitte glasweise Weine zum Dreigangmenü. Zur Taube gab es einen St. Joseph, der mit kühler Frucht und mittlerem Gewicht gar grandios zum Fleisch passte, das so rot war, als hätte Chairman Mao persönlich die Pfanne geschwungen. Ich rülpste heimlich und prägte mir das Gesicht Bordelets ein, wohl wissend, dass man sich im Leben immer zweimal begegnet. Heute und hier ist es dieses zweite Mal.

Was ich damals an Bordelet mochte, war, dass er mir, zum sehr teuren Essen, günstige und gute Weine hinstellte, weil ich damals, Anfang Dreißig, nicht so aussah, als könnte ich täglich einen lecker Latour schlürfen. Konnte ich auch nicht.

Diese Art Kundenpolitik, das Glas kostete 26 Franc, kann man nicht genug loben. Wegen Bordelets Geste ging ich später noch vier Mal ins Arpege. Nur nach Bordelet suchte ich vergebens. Der war nicht mehr da. Schade, dachte ich. Und es war auch schade.

Was macht Bordelet?

Wo war Bordelet? Besser gefragt: Wo ist er heute? Die Antwort: Daheim in der Normandie. Was macht man an einem Ort, wo kein Wein wächst? Man keltert Cidre. Eric Bordelt keltert Cidre. Am Hof seiner Eltern, den er Anfang des Jahrtausends übernommen hat. Cidre keltern viele, jährlich füllt man in der immer wärmer werdenden, kalten Normandie Millionen von Cidre-Flaschen, die die Märkte überschwemmen. Das meiste von diesem Zeug kann'ste vergessen, nicht so Bordelets Cidres – die merkst du dir ein Leben lang.

Das liegt daran, dass Bordelet, eigentlich logisch, beim Machen, das hier nicht keltern heißen darf, den gleichen Zugang wählt wie große Qualitätswinzer bei ihren namhaften Kreationen: Bordelet baut nach Lage und Terroir aus und kommt so auf eine Menge verschiedener Cidres.

Und jetzt Klartext: Alle Cidres von Bordelet sind Weltklasse und ein Erlebnis der Sondersorte, denn Apfel- und Birnenweine dieser artisanen, mit schon extremer Handschrift unterlegten Herstell-Methode, wird man auf der ganzen Welt nirgendwo sonst finden: Bordelet ist und bleibt hier „a single man“ auf weiter Flur.

Feine Firne hat die Birne

Ich habe eine Flasche von ihm am Kwarantäne-Hoteltisch stehen, einen Schaumwein aus Birnen, der aus Streuobstwiesen-Früchten „gekeltert“ wurde, die auf Granit standen: den „Poiré Granit“ aus 2018. In der Nase mitnichten gleich Birne, sondern sauberer, nasser Steinboden, Quitte, etwas Stachelbeere, etwas Limette, gering nasser Kupfer, gering junge Tomate, ein wenig Aschenbecher. Und dann, erwartet, aber nur im Finalisieren extremistisch: die Birne.

Im Mund superstraight und megafruchtig. Grüne, reife Birne, wieder Quitte, gering auch Ribisel, mehr rosa Grapefruit, sehr gering unreife Mandarine, viel mehr dann die wunderbare Salzigkeit des Terroir. Fazit: Birnen können, was Trauben können. Und das bei nur 5,5% Alkohol. Da muss ich mir für den leichten Rausch noch eine zweite Flasche öffnen. Natürlich vom gleichen Cidre, denn diese fast schon gefährliche Sauflust kriegt heute bei mir kein Wein mehr hin.