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Tag 20: Süße Kleine

Tag 20 der Quarantäne. Nun, wie schon im letzten Beitrag berichtet, ganz alleine als Aufpasser in einem südoststeirischen Zweihundert-Betten-Hotel. Von der Terrasse aus hat man einen sensationellen Blick auf die Riegersburg, die hier die hohen Hügel noch einmal überragt. Kurioses am Rande: Dieses Felsenbollwerk gegen Eindringlinge aus dem Süden, wurde in seiner Geschichte nie belagert, die Invasoren umgingen die Festung einfach.

Endlich im Grünen und keine Menschenseele weit und breit. Abends und Nachts ist es im Hotel ein bisschen so wie im Gruselfilm „Shining“ von Stanley Kubrik. Ich warte jedes Morgengrauen drauf, dass jemand mit einer Hacke meine Tür zertrümmert. Doch will niemand kommen, die Nächte bleiben fast beunruhigend ruhig.

Ich muss aufgrund einer „Vorerkrankung“ und der daraus folgenden Medikation, die mein Immunsystem reduziert, sehr streng auf meine Kontakte achten. Gestern, als ich kurz wieder in Wien war, mir Gift spritzen zu lassen, da sagte der Arzt erneut: „Wenn sie den Schaaß (gemeint ist Corona) kriegen, dann bedeutet das eigentlich, dass wir sie gleich in die Intensiv nehmen müssen.“ Beruhigend ist sowas nicht.

Schreiben, Schauen, Saufen

Gegen die Koller hilft schreiben, Serien schauen, im Wald spazieren (auch dort nur selten ein Mensch zu sehen) und Weine trinken. Ganz zu Beginn der Quarantäne habe ich erst gegen Abend eine Flasche geöffnet; heute, am zwanzigsten Tag, öffne ich die erste Flasche schon am Vormittag und am Abend dann die zweite. Ich möchte hier drunter keine Posts lesen, die mir strafende Worte schicken. Besondere Zeiten brauchen besonders viele gute Weine.

Jetzt „reiße“ ich mir einen leichten, fruchtigen Rotwein auf, einen Dolcetto aus dem von Corona heftig betroffenen Piemont. Dolcetto ist eine rote Traube, der irrtümlicherweise nachgesagt wird, aus Südfrankreich zu stammen. Das ist jedoch Humbug, Dolcetto ist wie Nebbiolo ein autochthon italienisches Gewächs. Und auch der Name, übersetzt: „süße Kleine“, ist nicht auf die kleinen Beeren und deren doch süßen Geschmack zurückzuführen, sondern auf einen alten piemontesischen Dialekt, in welchem Dolcetto das „Hügelchen“ bedeutet. Und auch das ist wieder irreführend, denn mit „Hügelchen“ ist nicht der kleine Hügel gemeint, sondern die etwas kleineren Hänge in den Nordlagen der Hügel, in welchen Dolcetto seit jeher kultiviert wird. Nordhänge? Warum das? Weil die Dolcetto eine früh reifende Sorte ist.

Nordhang ist nicht mehr Mordhang

Die Klimaerwärmung macht auch die Nordhänge wärmer, und so geraten die günstigen, früher eher nur primärfruchtigen und im Schluck schwächlichen Dolcetti immer öfter zu gehaltvollen, immer noch primärfruchtigen, jetzt aber auch bissigen und kräftigen Rotweinen. Viel Spaß für wenig Geld.

Mein Dolcetto ist ein Dolcetto d'Alba 2018 von Bruno Rocca und hört auf den imaginären Lagennamen „Trifole“, stammt aber aus der berühmten Barbaresco-Lage „Cru Rabajà“. Bruno Rocca ist ein Winzer von Rang und Namen, der es sich – wie alle Winzer von Rang und Namen – nicht erlauben darf, die günstigen Produkte seiner Produktion qualitätsmindernd zu keltern, denn auch diese sind eine Visitenkarte des Hauses und zudem sehr oft auch der Erstkontakt neuer, junger Weintrinker mit noch Schmalhans in der Geldbörse.

Rote Beeren satt

In der Nase gleich rote Beeren satt: Kirsche, etwas Zwetschke, viel Brombeere, Cassis, Heidelbeere und ein kleiner Tick Walderdbeere. Dazu noch Ginster, gering Rauch, gering Liebstöckl, dann noch ein Hauch Windgebäck. Im Mund wieder rote Beeren satt, dann wenig Minze, sehr gering auch Kreuzkümmel und etwas heller, äthiopischer Espresso. Dem folgt eine wunderbare, belebende Säure und sehr weiche Tannine. Wie zuvor vermutet, im Schluck schon ziemlich kräftig. Besonders, wenn der Wein – wie es hier gut ist – leicht gekühlt getrunken wird.

Fazit: Ein ordentlich gehaltvoller, immens fruchtiger, immens trinkfreudiger Wein, der nicht zu jenen Dolcetti zählt, die man von früher kennt. Und auch ein Dolcetto, den man, ganz gegen die Tradition, auch als Experiment mal eine Zeit lang im Keller liegen lassen kann. Bis 2023 sicher, meiner Ansicht nach sogar länger, weil ihn die Säure auch in einen interessanten Altersprozess trägt.